23.07.2013 | Beauftragter für Behinderte leistet Pionierarbeit

Bericht von Thorsten Ferdinand vom 23. JUli 2013 aus der Westerwälder Zeitung vom 22.Juli 2013

Inklusion Mathias Schlemmer aus Siershahn hat unter anderem die Barrierefreiheit im Blick

Siershahn. Seit fast vier Jahren kümmert sich Mathias Schlemmer aus Siershahn um die Belange behinderter Menschen in seiner Gemeinde. Nach der vergangenen Kommumalwahl wurde der inzwischen 58-jährige Wachmann vom Ortsgemeinderat zum Behindertenbeauftragten ernannt und fülllt das Ehrenamt seit dem mit Leben.

Schlemmer achtet unter anderem auf Barrierefreiheit bei öffentlichen Gebäuden und Plätzen, auf die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Kindergarten, Schule und berufliche Bildung oder auch auf einen besseren Zugang zum öffentlichen Personenverkehr.

Dabei, so Mathias Schlemmer, sei der Begriff Behindertenbeauftragter fast schon ein wenig irreührend, denn er suggeriere einen Einsatz für eine benachteiligte Minderheit. Aber auch viele Senioren kommen nicht mehr in den Bus, weil die Treppe zu steil ist, oder kdnnen trotz eines Behindertenparkplatzes vor der Bank kein Geld abheben, weil der Automat zu hoch hängt, erklärt er. Die Gruppe der Menschen, die aufgrund körperlicher Gebrechen Hilfe und Unterstützung im Alltag brauchen, werde angesichts des demografischen Wandels immer größer, ergänz der engagierte Siershahner. Vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft würden in Zukunft sicherlich noch mehr Gemeinden die Notwendigkeit erkennen, einen Behindertenbeauf- tragten zu ernennen, meint Mathias Schlemmer. Derzeit leisten noch relativ wenige Komununen in der Region Pionierarbeit auf diesem Gebiet.

Einder dieser Gemeinden ist Siershahn. Der 2500-Seelen-Ort in der Verbandsgemeinde Wirges tue schon vergleichsweise viel, um den Alltag behinderte Menschen zu erleichtern, freut sich Mathias Schlemmer. Kindergarten and Schulen in Siershahn sind, auch dank einiger Modernisierungen in den vergangenen Jahren, inzwischen barrierefrei. Alles, was man zum täglichen Leben braucht, kann rund um den zentralen Konrad-Adenauer-Platz erworben werden. Ob Bäckerei, Post, Einkaufsmarkt, Zeitungsladen oder auch Friseur — im Zentrum der Gemeinde sind die Wege kurz und behindenengerecht, erklärt Schlemmer. Einige Bürgersteige im Ort wurden nach Rücksprache mil dem Behindertenbeauftragten abgesenkt, um einen leichteren Zugang mit Rollstuhl, Rollator und auch Kinderwagen zu ermöiglichen, Doch auch in Siershahn gebe es weiterhin Verbesserungsmöglichkeiten, ergänzt der Behindertenbeauftragte. So halte beispielsweise in der Regel nur einmal pro Tag ein sogenannter Niederflurbus in der Gemeinde. Die übrigen öffentlichen Busse seien nicht behindertengerecht. Hier ist nach Auffassung von Mathias Schlemmer auch der Gesetzgeber gefragt. Wenn die Verträge mit privaten Subunternehmem derart kurze Laufzeiten haben, dass sich das wirtschaftliche Risiko zur Anschafiung neuer Busse nicht rentiere, könne man den Unternehmem ja nicht einmal einen Vorwurf machen, erklärt der 58-Jährige.
In solchen und anderen Fällen gelte es, viele Bretter zu bohren. Netzwerkarbeit sei so etwas wie die Königsdisziplin des Behindertenbeauitragten. "Man muss viele Visitenkarten verteilen.“

Nicht zuletzt sei in der Funktion als Behindertenbeauftragter ein gewisses Augenmaß gefragt. Nicht jeder Vorschlag lasse sich von heute auf morgen umsetzen, erklärt Mathias Schlemmer. Seine Aufgabe sei es deshalb auch, über einen längeren Zeitraum am Ball zu bleiben. Für eine zweite Amtszeit nach der nächsten Kommunalwahl bietet er sich deshalb jetzt schon an.

Wohngemeinschaft könnte ein Fernziel sein

Der Behindertenbeauftragte der Ortsgemeinde Siershahn weiß auseigener Erfahrung, worauf es im Alltag behinderter Menschen ankommt. Mathias Schlemmer ist mit einer Schwester mit offenem Rücken (Spina bifida) groß geworden und hat selbst erlebt, wo Menschen mit derartigen Einschränkungen an ihre Grenzen stoßen. Für die Zukunft würde sich der 58—Jährige wünschen, dass auch in seiner Heimatgemeinde überlegt wird, wie sich die UN—Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ausgestalten ließe. Das von der UNO-Geneyalversammlung verabschiedete Übefeinkommen konkretisiert die Menschenrechte für die Lebenssituation behinderter Menschen, um ihnen die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Nicht zuletzt könnte sich Mathias Schlemmer als Fernziel eine Wohngemeinschaft für Senioren in Siershahn vorstellen. tf